Geboren: 23./24.08.1775 in Berlin.
Gestorben: 09.11.1831 in Berlin.
(Grab).
Religion: jüdisch; katholische Taufe: 1812 in Paris, Taufname: Maria.
Vater: Moses Mendelssohn (1729-1786).
Mutter: Fromet Gugenheim (1737-1812).
Geschwister: Sara (1763-1764), Brendel (1764-1839), Chajim (1766-1766), Recha (1767-1831), Mendel Abraham (1769-1775), Joseph (1770-1848), Abraham (1776-1835), Susgen (1778-1778), Nathan (1782-1852).
Unverheiratet, keine Kinder.
Von Hans-Günter Klein.
Henriette Mendelssohn, die in der Familie Jette genannt wurde, lebte nach dem Tode ihres Vaters
mehrere Jahre bei ihrer Schwester Recha Meyer in Neustrelitz. Im Sommer 1793 hielt sie sich
zusammen mit ihrer Schwester Brendel (Dorothea) in Schönhausen auf, in Berlin dann lebte sie
offensichtlich in engem Kontakt mit ihren Brüdern Joseph und Abraham, wohnte einige Zeit
bei Dorothea und befreundete sich mit Rahel Levin. Wie ihre Geschwister hatte sie im Hause des
Vaters eine gute Bildung erfahren, die sie im geistigen Austausch mit den Gästen in den
Salons der Rahel wie der Henriette Herz vertiefte. Sie beherrschte das Klavierspiel und
interessierte sich für Musik, bildende Kunst und Literatur. Auf Vermittlung von Fanny
von Arnstein nahm sie eine Stelle als Erzieherin im Hause eines Neffen von Arnstein in Wien
an; Anfang April 1799 reiste sie dorthin. Doch sollte ihr das neue Umfeld so wenig zusagen,
daß sie 1801 diese Jahre "als völlig für mich verloren" bezeichnete
(Varnhagen 1836). Eine Art von Heimstatt fand sie lediglich im Hause Arnstein, das sie als
"einzig in seiner Art" schilderte (Varnhagen 1836). Wohl auf Veranlassung des
Bruders Abraham ging sie 1802 nach Paris, der ihr den Kontakt zur Familie Fould vermittelte.
Im Gartenhaus des Anwesens der Bankiers errichtete sie ein Mädchenpensionat. Ihre
Wohnung entwickelte sich zu einem beliebten Treffpunkt der Deutschen in Paris. Varnhagen,
der während seines Aufenthalts an der Seine bei ihr häufig zu Gast war, schildert
sie mit warmen Worten und nennt auch Namen von Gästen, die bei ihr verkehrten: Madame
de Staël, Benjamin Constant, Gaspare Spontini, Alexander von Humboldt, David Koreff,
Helmine von Chezy u. a.(Varnhagen 1987).
Im Frühjahr 1812 nahm sie eine Stelle als Erzieherin bei dem General Sebastiani
(1772-1851) als Erzieherin seiner Tochter Fanny (1807-1847) an, deren Mutter kurz nach
deren Geburt gestorben war. Die neuen überaus gutsituierten Wohn- und
Lebensverhältnisse hat Henriette Mendelssohn in einem Brief an die Schwägerin
Lea Mendelssohn nicht ohne ironische Untertöne beschrieben. Obwohl sie das junge
Mädchen liebte, hat sie dessen geistige Grenzen sehr genau gesehen, was gelegentlich
auch zu Selbstzweifeln an ihren eigenen erzieherischen Fähigkeiten führte. Sie hat
in diesen Jahren - im Gegensatz zu der Zeit davor - ein relativ abgeschiedenes Leben
geführt und vieles von ihren privaten Interessen aufgeopfert. Einen gewissen Ausgleich bot
ihr der rege Briefwechsel mit den Geschwistern und deren Familien; als die Brüder Joseph
und Abraham sich wegen ihrer Bankgeschäfte nach 1815 häufiger in Paris aufhielten,
waren sie auch viel mit der Schwester zusammen. Mit Abraham unternahm sie 1819 eine Reise
nach Le Havre, mit Fanny Sebastiani 1819 in die Schweiz, 1821 nach Bad Ems und 1823 in die
Provence. Schon 1808 war sie in die Schweiz gefahren und hatte dort auch Madame de
Staël besucht.
Nachdem sie 1808 die Konversion der Schwester Dorothea getadelt hatte, trat auch sie
zum Katholizismus über (1812) - wohl weniger aus gesicherter innerer Überzeugung
als mehr aus der Notwendigkeit ihrer neuen Stelle; doch hat sie sich im Laufe der Jahre eine
kompromißlose Glaubensfestigkeit erworben, die aber offensichtlich ihr gutes
Verhältnis zu den beiden Berliner Brüdern nicht beeinträchtigt hat. Auch hat
sie ihren Taufnamen Maria sehr bewußt geführt. Der Briefwechsel mit der Schwester
Dorothea war geprägt von der religiösen Übereinstimmung, die von beiden auch
1830, als sich die Schwestern nach 26 Jahren bei einem Besuch Henriettes in Dresden wieder
begegneten, als ein starkes einigendes Band empfunden wurden.
Nachdem Fanny Sebastiani im Herbst 1824 geheiratet hatte, holte der Bruder Abraham sie im
Frühjahr 1825 aus Paris ab. Sie verlebte die letzten Jahre ihres Lebens in Berlin in
engem Kontakt zu ihren beiden Brüdern. Offensichtlich wurde sie in dieser Zeit sehr
unterschiedlich wahrgenommen. Rahel Varnhagen schreibt am 8. Juni 1826 an Pauline
Wiesel: "J. Mendel: ist bigot - katolisch - und liebt stumm und still". Karl
August Varnhagen charakterisiert sie 1836: "Schöne Bildung der Seele hatte sich
in dieser anlagenreichen Natur mit höchster Weltbildung vereinigt; sie gaben einer
äußerlich unscheinbaren Persönlichkeit eine edle, feine, ruhige und
wohlthuende Gegenwart."