Abraham Mendelssohn Bartholdy

Copyright: Mendelssohn-ArchivLebensdaten

Geboren: 10.12.1776 in Berlin.
Gestorben: 19.11.1835 in Berlin (Grab).
Religion: jüdisch; evangelische Taufe am 04.10.1822 in Frankfurt (Main).

Vater: Moses Mendelssohn (1729-1786).
Mutter: Fromet Gugenheim (1737-1812).

Geschwister: Sara (1763-1764), Brendel (später Dorothea, 1764-1839), Chajim (1766-1766), Recha (1767-1831), Mendel Abraham (1769-1775), Joseph (1770-1848), Henriette (1774-1831), Susgen (1778-1778), Nathan (1782-1852).

Heirat: 26.12.1804 in Berlin mit Lea Salomon (1777-1842).
Kinder: Fanny (1805-1847, verheiratet mit Wilhelm Hensel), Felix (1809-1847), Rebecka (1811-1858), Paul (1812-1874).



Kurzbiographie

Von Thomas Lackmann.

Abraham Mendelssohn Bartholdy repräsentiert mit seinen künstlerischen Ambitionen, gleichzeitiger ökonomischer Profession und seiner konfessionellen Entwicklung am vollständigsten das "typische" Vermächtnis der Mendelssohns. Andere Mendelssohns, wie sein Vater Moses oder sein Sohn Felix, sind berühmter, etliche sind, wie sein Bruder, der Bankgründer Joseph, bedeutendere Persönlichkeiten gewesen. Doch nur an Abrahams Biographie werden alle Aspekte zugleich deutlich, die aus der Mendelssohn-Familie jenes besondere Biotop der kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen machten, das die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland beeinflussen sollte.

Abraham wäre gern Musiker geworden, mußte Kaufmann sein und hat diese unterdrückte Neigung als fördernder Vater hochbegabter Kinder, als Freund der Künste und Mäzen fruchtbar sublimiert. Er war als Kompagnon seines Bruders Joseph an den ersten großen Erfolgen der Mendelssohn-Bank beteiligt, verließ aber zum Januar 1822 das gemeinsame Geschäft und wirkte fortan, mit wechselndem Glück, als Finanzmakler. Er überlegte mit seiner Frau Lea mehr als zehn Jahre lang, ob er zur Sicherung der Zukunft seiner Kinder nicht lieber emigrieren oder konvertieren sollte, und trat mit ihr - als letzter der vier christianisierten Kinder Moses Mendelssohns - im Herbst 1822 zum Christentum über. Seine vier Kinder hatte er bereits sechs Jahre zuvor taufen lassen.

Aufgewachsen ist er als zweitjüngstes Kind und mittlerer Sohn des Moses Mendelssohns, von dem er - anders als seine älteren Geschwister Brendel (Dorothea) und Joseph - persönlich keinen Unterricht erhalten hat. 1786, nach dem Tod des Vaters, zieht die Familie nach Neustrelitz, nur der junge Kaufmann Joseph bleibt in Berlin, wohin Abraham als Heranwachsender zurückkehren wird. Er tritt dem von Joseph initiierten Club zur Förderung der Aufklärung, "Gesellschaft der Freunde", bei und ist regelmäßig Gast im Hause Karl Friedrich Zelters, seines väterlichen Freundes, durch den er Mitglied der Singakademie wird. 1797 tritt er in Paris eine Bankierslehre an. 1804 heiratet er in Berlin Lea Salomon, eine Enkelin des friderizianischen Hofbankiers Itzig, und erwirbt dadurch die Bürgerrechte ihrer priviligierten Familie. Er tritt in die 1795 eröffnete Berliner Handlung seines Bruder Joseph ein und begründet mit diesem ein Bankhaus in Hamburg, wo die Familie bis zur dramatischen Flucht vor den napoleonischen Zollbehörden im Jahr 1811 wohnt. Von diesem Jahr an hat auch Abraham wieder seinen Wohnsitz in Berlin, das der unstete und oft gehetzte Charakter häufig zu langen Dienstreisen verläßt. Die Abwicklung französischer Reparationszahlungen durch die Mendelssohn-Bank erfordert die monatelange Anwesenheit der Bankiers in Paris. In Berlin lebt Abraham mit seiner Familie zuerst in der Markgrafenstraße am Gendarmenmarkt, später im Haus seiner Schwiegermutter am Hackeschen Markt, ab 1825 im ehemaligen Reckeschen Palais Leipziger Straße 3. Dieses gewaltige Anwesen - etwas größer als das Berliner Kammergerichtsgebäude, der heutige Altbau des Jüdischen Museums - wird mit seinem weitläufigen Garten und dem Gartensaal der Sonntagsmusiken zum Forum für die gesellschaftliche Anerkennung der Mendelssohn Bartholdys. Ebenfalls im Jahr 1825 wird Abraham zum unbesoldeten Stadtrat gewählt.

Bei der heimlichen Taufe seiner Kinder Fanny, Felix, Rebecka und Paul im Jahr 1816 hatte er bereits bestimmt, daß diese später als Markierung der Konversion den Zusatznamen "Bartholdy" annehmen sollten: So hatte sich Abrahams Schwager Jacob Salomon Bartholdy nach der Taufe genannt, der diesen Namen von der Bartoldischen Meierei, einem Familienbesitz am Schlesischen Tor, übernahm. Der Schwager, ein preußischer Diplomat und Kunstsammler in Italien, hatte Abraham seinerzeit empfohlen, den Namen Bartholdy ebenfalls zu benutzen, um sich so von "den anderen Mendelssohns" zu unterscheiden. Für Abraham, der den Doppelnamen selbst bei der eigenen Taufe annimmt, bleibt die Frage nach Unterscheidung und Identität, nach Assimilation und Traditionstreue ein konfliktreiches Lebensthema. Sechs Jahre vor seinem Tod versucht er, ohne Erfolg, den Namen Mendelssohn für sich und seine Familie ganz loszuwerden. In seinen letzten Jahren, die durch eine Augenkrankheit verdüstert sind, nimmt sowohl seine Streitsucht als auch seine Liebenswürdigkeit zu. Die Auseinandersetzung mit dem Namen, mit der übergroßen Gestalt und mit der Religion des Vaters, die sein großer Bruder nie verlassen wird, hat den rastlosen, neugierigen, leidenschaftlichen Sohn des Moses bis zuletzt beschäftigt. Mit seinem bitter-stolzen Bonmot "Früher war ich der Sohn meines Vaters, jetzt bin ich der Vater meines Sohnes" hat er nicht nur die eigene Existenz im Schatten von Moses und Felix, sondern das Wer-bin-ich-Thema der Mendelssohns und die Zerreißproben seiner Zwischengeneration auf den Punkt gebracht.


unedierte Quellen


edierte Quellen und Literatur